Warum man eine systemische Coachingsitzung eigentlich nicht vorbereiten kann und ich es trotzdem immer tue

Ich sitze in meinem Büro in der Berliner Auguststraße, es klingelt, einige Minuten später betritt meine Klientin den Raum. Ich frage sie, wie es ihr geht und sie sagt, dass es auf der Arbeit gut läuft, aber zu Hause der Haussegen seit einiger Zeit schief hängt.

Das Coaching startete vor einigen Wochen mit dem Überthema ‚berufliche Neuorientierung‘ und heute steht plötzlich die Beziehung zu ihrem Partner im Mittelpunkt.

Auch wenn es eigentlich einen groben roten Faden gibt, frage ich meine Klient*innen zu Beginn jeder neuen Sitzung wieder, was heute ein bestes Ergebnis aus der Sitzung wäre. So dient ‚berufliche Neuorientierung‘ als roter Faden für den gesamten Prozess, wenn dann aber eine Klient*in mit einer akuten Thematik kommt, so wird zunächst diese angeschaut. Hier kommt dann der Grundsatz „Störungen haben Vorrang“ zum tragen.

An diesem Beispiel wird auch deutlich, wie die unterschiedlichen Systeme miteinander verbunden sind und sich wechselseitig beeinflussen: wenn ich Liebeskummer habe, wirkt sich das auf meine Arbeit aus und genauso nehme ich Kummer, den ich auf der Arbeit habe, mit nach Hause, so dass er auch meine Familie und Menschen in meinem Umfeld beeinflussen wird.

Vor jeder Sitzung führe ich mir vor Augen, was mein*e Klient*in und ich in der letzten Sitzung besprochen haben und auch welche Handlungsschritte festgelegt wurden. Darüber hinaus überlege ich, welches Thema die Klientin vielleicht mitbringen wird und welche Intervention passen könnte. Meistens kommt es natürlich anders, als ich es mir vorgestellt habe.

Systemisches Coaching als Tanz zwischen Coach und Coachee

Sonja Radatz beschreibt systemisches Coaching als „Tanz zwischen Coach und Coachee, bei dem der Coach dem Coachee die passenden Fragen stellt, damit Letzterer im Gespräch - im gemeinsamen Tanz - passende Lösungen zu dem von ihm angesprochenen Problem bildet.“

Als systemische Coachin gehe ich davon aus, dass ich lebende Systeme nicht steuern kann, ich kann nur einen Rahmen bieten (und mich für diesen verantwortlich fühlen). D.h. ich kann durch Fragen und Interventionen Angebote machen und einen Prozess begleiten, aber die inhaltliche Verantwortung liegt bei meiner Klient*in. Meine Klient*innen sind Expert*innen für ihre Lösungen. Ich weiß nicht, was für sie am besten ist. Ich begleite sie mit Fragen und Interventionen auf ihrem Weg zu einer Lösung, bei der zum Beispiel der Zugang zu verschütt geglaubten Ressourcen eine Rolle spielen kann.

Warum bereite ich mich also auf die Coachingsitzungen vor? Im Bezug auf die nächsten Handlungsschritte wird es von meinen Klient*innen oft als hilfreich empfunden. Mit Blick auf den tatsächlichen Ablauf, geht es wahrscheinlich eher um mein Bedürfnis nach Sicherheit. Das ist für mich auch ok, solange  ich in der Coaching-Sitzung trotzdem flexibel bleibe und mich voll und ganz auf den Prozess meiner Klient*innen einlassen kann.

Ps: Neben dem Fokus auf die Ressourcen, spielt die Lösungsorientierung eine große Rolle im systemischen Coaching. Oft sind wir Menschen Meister*innen darin zu wissen und auszudrücken, was wir nicht mehr wollen. Unsere Absichtsumsetzungkompetenz (was ein Wort..) setzen wir aber in dem Moment in Gang, wenn wir genau formulieren und konkretisieren, was wir erreichen wollen. 

Zurück
Zurück

Erfolgreich sein: lieber spontan in die Karibik fliegen oder 15 Minuten Zeit in der Obst- und Gemüseabteilung bei Kaufland verbringen?

Weiter
Weiter

Anleitung zum Selbstcoaching: Nutze das Lebensrad um deine 8 wichtigsten Werte zu definieren